Die üblichen Verdächtigen

Der sich langsam erwärmende Teil des Jahres beginnt mit Besuchen und Begegnungen mit üblichen Verdächtigen. Auf Balkonien gab es in den letzten 10 Tagen die ersten Wanzen, nicht ganz untypisch sind es einige Vertreter der Grauen Gartenwanze (Rhaphigaster nebulosa). Sie sind auch gern mal in der wärmeren Wohnung. Wie man sehen kann hinterließ die Wanze eine kleine Duftmarke. Höchstwahrscheinlich stresste ich sie etwas mit der Kamera. Ein Rothalsiges Getreidehähnchen (Oulema melanopus) saß (von außen) an der Balkontür. Das erste Tagpfauenauge hat sich auch blicken lassen, blieb aber kameraseitig unbelästigt.

Die Straße runter dachte ich eines Tages in der vergangenen Woche, dass jetzt bald die ersten Ölkäfer auftauchen dürften, da krabbelt tatsächlich einer der ersten Maiwürmer über den Bürgersteig. Nachdem die Hündin an ihm schnupperte war er in leichter Angriffsstimmung. Auf dem Rückweg war mein Blick geschärfter und ich entdeckte noch die zwei gut getarnten Maiwürmer in der Laubschicht.

Freitag warf ich einen routinemäßigen Blick rund um einen motivreichen Polter und entdeckte überraschend die immer häufiger zu entdeckenden Schließmundschnecken (Clausiliidae). Sie waren wie immer extrem gut getarnt. Alle am unteren Stamm des Polters.

Das ist ja allerhand!

Da ich seit vorletztem Jahr ein kleines bisschen wanzenvernarrt bin und gern auf die fotografische Jagd nach ihnen gehe, hat sich im letzten Jahr eine stattliche Anzahl Aufnahmen angesammelt, die mittlerweile zum Großteil bestimmt und sortiert sind. Seit einiger Zeit trage ich mich mit dem Gedanken, hier eine kleine Auswahl zu zeigen. Das kostete mich zwischendurch so viel Nerven, dass ich es beinahe aufgegeben hätte. Welches Format, welche Sortierung, welche Auswahl soll ich treffen? 

Nun aber, dank dem Wetter da draußen klappt es doch noch kurz vor der neuen Saison! Es sind ausschließlich Aufnahmen aus 2021 und es werden insgesamt hoffentlich drei Teile.

Los geht es heute mit den Weichwanzen (Miridae) und den Stachelwanzen (Acanthosomatidae). Es soll tatsächlich ein rein visuelles Vergnügen sein, d.h. bis auf Größe und Namen will ich gar nicht mehr zu den einzelnen Schönheiten sagen. Das folgt dann ab und an für einzelne Exemplare in eigenen Beiträgen.

In order of appearance:

Weichwanzen: 1. Zweifleck-Weichwanze (Stenotus binotatus), Männchen (5,8-7,4 mm), 2. Gemeine Wiesenwanze (Lygus pratensis), 5,8-7,3 mm, 3. Zweipunktige Wiesenwanze (Calocoris norvegicus), 6-9 mm, 4. Rote Weichwanze (Deraeocoris ruber) 6,6 – 7 mm, 5. Vierfleck-Eichenwanze (Dryophilocoris flavoquadrimaculatus), 6-6,6 mm, 6. Eichen-Schmuckwanze (Rhabdomiris striatellus), 7-8,5 mm, 7. Zweifleck-Weichwanze (Stenotus binotatus), Weibchen, 5,8-7,4 mm, 8. Vierpunktige-Zierwanze (Adelphocoris quadripunctatus), 7,5-10,5 mm, 9. Megaloceroea recticornis, 7,9-10,2 mm, 10. Stenodema calcarata, 6,8-7,9 mm, 11. Larve Stenodema, 12. Vielfarbige Forstwanze (Psallus cf. varians), 3,8-4,7 mm, 13. Larve Unbeständiger Schmalhans (Dicyphus errans), mini (Imago wird nur 4,5-5,1 mm), 14. Breitfühler Weichwanze (Heterotoma planicornis), 4,5-5,5 mm, 15. Malacocoris chlorizans, 3,7-4,2 mm, 16. nochmal Malacocoris chlorizans, 17. Gepunktete Nesselwanze, Larve (Liocoris tripustulatus), 2-3mm, 18. Gepunktete Nesselwanze (Liocoris tripustulatus), 4-5mm, 19. Gemeine Doldenwanze (Orthops basalis), 4-5,2mm, 20. Braune Schmuckwanze (Closterotomus fulvomaculatus), 6-9mm, 21. nochmal eine Eichen Schmuckwanze (Rhabdomiris striatellus), 7-8,5mm,

Stachelwanzen: 22. Larve Wipfel-Stachelwanze (Acanthosoma haemorrhoidale), 23. Wipfel-Stachelwanze (Acanthosoma haemorrhoidale), 15-17mm, 24. Bunte Blattwanze (Elasmostethus interstinctus), 9-12mm.

Auf Stelzen

Im Mai letzten Jahres sah ich meine erste Hexenkrautwanze (Metatropis rufescens). Was für ein Fund das damals war. Ich sah dann für Monate kein weiteres Exemplar, hatte mich aber aufgrund der Namensgebung etwas näher damit befasst, was Hexenkraut eigentlich ist. Da die Stelzenwanzen im erwachsenen Zustand ungefähr mückengroß sind und ihnen auch nicht so ganz unähnlich muss man einen sehr guten Blick haben, um sie in diesem Kraut unten am Wegesrand zu entdecken. Lässt man sich dort allerdings mal in Ruhe nieder sieht man plötzlich so einige von ihnen. Ich finde sie sehr schwer zu fotografieren, da ich aber unendlich viele Versuche unternommen habe, sind auch einige gute Ergebnisse dabei herausgekommen.

Sind schon die Imagines schwer zu fotografieren so gilt das für die Larven um einiges mehr. Sie sind wirklich winzig, gerade während der ersten Stadien, aber auch danach sind sie unglaublich schwer auszumachen am Hexenkraut. Wie oft sie meine Nerven überstrapaziert haben. Dennoch oder vielleicht gerade deswegen (verdrängt) hatte ich es bisher versäumt, noch einmal in Ruhe einen Beitrag mit ausreichend Fotomaterial über sie zu veröffentlichen. Heute ganz spontan passte es gut.

Hexenkrautwanzen gehören zur Familie der Stelzenwanzen (Berytidae). Gerade lese ich, dass die Hexenkrautwanzen mit ihrer Größe von 7,9 bis 9,4 mm (als Imago) zu den größeren Vertretern der Stelzenwanzen zählen. Sie ernähren sich ausschließlich von Hexenkräutern. Sie überwintern als Imago unter Bodenstreu, Moos, Rinde, ab Mai paaren sie sich, das Weibchen legt die Eier an Blättern und Stengeln der Wirtspflanze ab und ab Juli bis in den September kann man dann die nächste Generation beobachten. Auch meine Nymphenbilder stammen überwiegend aus dem September. Die Fotos von den Imagines stammen aus August und September.

Rote Glubschaugen

Die Hellbraune Glasflügelwanze (Rhopalus subrufus) kommt zumeist in einem recht kräftigen Rotton daher. Sie ist dennoch nicht leicht zu entdecken, mit ihren 7-9 mm ist sie erstaunlich gut in der Krautschicht getarnt. Und sie ist schnell unterwegs. Farblich variiert sie zwische hellbraun und einem sehr starken rotbraun. In der rotbraunen Färbung habe ich sie im Mai kennengelernt, zum Ende des Sommers im August gelang mir noch die Aufnahme einer blasseren Farbvariante. Zeitlich deckt es fast genau den Rahmen ab, in welchem man sie entdecken kann: Mai bis September.

Bis auf einen eng begrenzten Bereich in einem Waldstück hier bei mir habe ich sie noch nicht woanders entdeckt. Dort sehe ich sie recht zuverlässig direkt am Wegesrand in der typischen Krautschicht in Gesellschaft von Stink- und Schillerwanzen. Ach ja, sie hat unglaubliche rote Glubschaugen.

Ihre Larven bekam ich dann im Spätsommer am 19.08. zu Gesicht und hielt sie zunächst für Zimtwanzenlarven. Natürlich hätte ich es bessser wissen können, denn dort im Wald habe ich noch nie Zimtwanzen gesehen. 2021 bin ich in Bezug auf die Wanzen ein großes Lernstück vorangekommen, einige Zusammenhänge haben sich mir erschlossen, die Fundgebiete in Fuß und Radnähe habe ich regelmäßig forschend besucht. Spaß hat das gemacht und zu einer ansehnlichen Jahresausbeute geführt. Von denen ich hoffentlich noch einige hier vorstellen werde.

Hoher Niedlichkeitsfaktor!

Es handelt sich offenbar um eine wärmeliebende Art, die noch recht neu hier im hohen Norden sein könnte.

Ein bisschen Farbe

Als Ausgleich zum eher tristen und dunklen Wetter soll es hier ein bisschen Farbe geben. Auf meinen Spaziergängen der letzten Wochen blitzte ab und an vereinzelt ein Farbklecks in der Krautschicht am Wegesrand auf: Stachelwanzen (Acanthosomatidae), genauer eine Bunte Blattwanze (Elasmostethus interstinctus) und insgesamt mehrere Wipfel-Stachelwanzen (Acanthosoma haemorrhoidale). Auf dem ersten Bild sieht man die Bunte Blattwanze, sie macht farblich schon ein wenig was her. Mit richtig kräftigen Farben begeistert allerdings die ältere Wipfel-Stachelwanze auf dem zweiten Bild, entdeckt erst vor 3 Tagen.

Die Larven der Wipfel-Stachelwanzen kann man vor Ort schnell als eine der zahlreichen Stinkwanzen-Larven abtun. Das passierte zumindest mir, die erst bei der Sichtung der Bilder bemerkte, dass es sich um eine unbekannte Larve handelt. Natürlich stimmt das Größenverhältnis von der Larve auf dem letzten Bild zu den Imagines nicht. Auch zwischen den beiden gezeigten Stachelwanzen-Arten gibt es einen nicht ganz unerheblichen Größenunterschied: Bunte Blattwanzen sind 9-12 mm, Wipfel-Stachelwanzen bedeutend größer mit 15-17 mm.

Noch ein paar interessante Details: Der Name Stachelwanze erschließt sich nicht unbedingt, ich hätte mir eher noch einen Bezug zu ihrer kräftigen Farbe vorstellen können. Die Wanze hat allerdings einen stachelartigen Fortsatz am Bauch, woanders heisst es, sie sind an ihrem Bauch mit einem stachelartigen Fortsatz gekielt. Was zu ihrer alternativen Bezeichnung Kielwanzen führen dürfte. Ihre Schildchen sind mit etwa 110 Punkten versehen. Wipfel-Stacelwanzen kann man gut auf Weißdorn und Eberesche entdecken, die Bunte Blattwanze lebt und entwickelt sich auf Birken oder Erlen.